44. Rennsteiglauf Marathon
Strecke kräftig unterschätzt.
Wie im vergangenen Jahr hatten wir unsere Ferienwohnung im 6 km
entfernten Stützerbach. Am Donnerstag reisten wir an und liefen am Nachmittag bereits in Frauenwald, nahe der Wettkampfstrecke. Mein Knie machte die letzten Tage erhebliche Probleme und die
Beschwerden wurden von Tag zu Tag schlimmer. Zweifel ob ein Start überhaupt das Richtige war, sorgten noch mehr für Nervosität. Der Freitag war bestimmt durch eine Fahrt in den Zielort
Schmiedefeld und anschließend zur Startnummernausgabe und „Knödel“-Party in Neuhaus. Hier lernten wir schon direkt im Vorbeifahren die Marathon-Strecke kennen
Wie sagt man hier immer: Schmiedefeld - das schönste Ziel der Welt. Irgendwie hat das was, auch wenn es sicherlich tausende andere schöne Ziele gibt - hier ist irgendwie alles anders. Ein
Groß-Event - aber trotzdem noch familär. In jedem Dorf hat scheinbar jeder irgendeine Aufgabe - ob Polizist am Straßenrand, Streckenposten oder Verpflegungsstation. Und das über eine
Veranstaltung die mit Eisenach vom Supermarathon und Marathon von Neuhaus, immerhin über rund 116 Kilometer geht.
Auch die Knödelparty ist ganz anders, als die üblichen Pasta-Parties. Thüringer Klöße mit Rinderroulade und Rotkohl. Ungewohnt ein Tag vor dem Wettkampf, aber hier ganz normal.
Um 6:19 Uhr holte uns der Shuttle-Bus in Stützerbach an der Haltestelle Eintracht ab. Sofort ein kleiner Schock – der Bus war brechend voll – selbst in den Gängen war Stehen nur eng möglich. Deshalb entschied sich der Busfahrer direkt nach Neuhaus durchzufahren. Prima –über 40 km Stehen und hin- und hergeschaukelt werden in den Serpentinen. Das brauch man gar nicht vor einem Marathon-Start. Mein Knie schmerzte noch mehr und Angelika war kotzübel (siehe ihr Bericht). Irgendwie war uns dieser Lauf nicht gegönnt. Nun hieß es nach Ankunft um 7.30 Uhr noch ein wenig Ausruhen bevor es zum Startbereich ging. Kaum ein Vergleich zum Super-Marathon-Start im letzten Jahr, wo um 6.00 Uhr morgens Ruhe herrscht. Hier war sofort eine geniale Stimmung und beim Rennsteiglied und dem Schneewalzer schunkelten und sangen alle Läufer. Ich blieb zunächst im hinteren Feld um diese Atmosphäre zusammen mit meinem Schatz gemeinsam zu erleben.
Ich überlege bis zur Kleiderbeutelaufgabe, ob ich mit Kniebandage laufe. Entscheide mich dafür, diese lieber in den Beutel zu packen. Das „Dingen“ ist beim Laufen einfach störend.
Um 9.00 Uhr fiel der Startschuss und nachdem man eine kleine Wiesenrampe hochlief, rollte ich das Feld langsam auf. Sofort zu Beginn heißt es einen Anstieg über eine Straße zu bewältigen, hier walken schon einige. Da kann man sich nur fragen: Warum stelle ich mich dann schon vorne auf. Kilometer 1 noch in 5:50 Min. und sofort eine „Pippi-Pause“. Ich ließ es weiter locker angehen, wollte aber nun ein wenig freier Laufen, weil ich dachte, dass es in einigen Kilometern, wenn es in den Wald geht mit Sicherheit enger wird. Nachdem man die Ernst-Thälmannstraße und über die Rennsteigstraße sowie Bahnhofstraße in Richtung Steinheid geht, habe ich mich schon sehr weit nach vorne gearbeitet. Eigentlich viel zu schnell. Sehr viel ! Teilweise war hier der Schnitt um die 4:30 Min. je Kilometer. Es lief gut über den Asphalt als wir bei km 5,6 an die erste Getränkestation kamen. Der Moderator begrüsst uns alle, weist darauf hin, dass es ja nicht mehr weit ist und für die, die Zeit haben, in 30 Minuten Bratwürstchen gibt. Ich nehme mir was zu trinken, obwohl ich noch eine Isopulle in den Hände habe. Diese soll aber für „schlechte Zeiten“ sein. Es wird nämlich langsam sehr warm.
Nun geht es über Waldboden, teilweise mit Wurzeln. So heißt es konzentriert laufen. Ich habe mittlerweile einen Gesamtschnitt von 5:02 Min./km erreicht. Ich denke mir momentan: Na, profiliert ist o.k., aber ich habe es mir eigentlich schwieriger vorgestellt. Vielleicht hätte ich hier nicht in zu großer Euphorie ausbrechen sollen, spontan unterwegs eine Zeit von 3:35 Std. zu avisieren, denn bis jetzt war ja nix erreicht.
Bei ca. km 8 geht es das erste Mal richtig knackig hoch. Aber ich schaffe den Anstieg locker hoch ohne Probleme. Beim Dreistromstein in 827 m Höhe ist dann die erste Verpflegungsstelle. Das was angeboten wird ist, ist Wahnsinn – von Haferschleim, Broten, Obst, Tee, Cola etc., ein kleines Verpflegungsdorf. Nun geht es hügelig weiter, Auf- und Abstiege, das eine oder andere Mal ist man schon am „pusten“.
Es geht nun hoch zum „Eselsberg“ mit 841,5 m. Das Profil ist schon jetzt ganz schön heftig zwischendurch und alles was ich vorher dachte mit einfache Strecke ist völlig überholt. Es wird aber noch Steigerungen geben. Nun geht es in Richtung Masserberg, vorher noch an der Verpflegungsstation ein Gel genommen und sich der mitgeführten Pulle entledigt. Es geht jetzt richtig steil abwärts. Innerhalb von kurzer Zeit hat man einen Höhenunterschied von 56 m bewältigt. Und nun kommt das absolute Highlight – der Hohlweg hinunter zur Trinusbaude. Dieser Weg macht seinen Namen „Crosslauf“ aller Ehre recht. Steil abwärts, geht es teilweise eng über einen ausgewaschenen Weg über Wurzeln und Steinen. Teilweise sucht man spontan, worauf man springt. Einige Mutige rennen diesen Abschnitt runter – zunächst stürzt vor mir einer, der viel zu schnell unterwegs war. Ein paar Meter weiter ein weiterer. Es ist „sauschwierig“. Ich springe von rechts nach links und umgekehrt. Das kostet Zeit und auch Kraft. Der Abschnitt zieht sich ohne Ende und ich denke mir: Hat das überhaupt mal ein Ende ? Hier können gute Trailläufer viel Zeit rausholen. Ich gehe nach meinen letztjährigen Sturz vorsichtiger an.
Wir erreichen die Schwalbenhauptwiese. Innerhalb von kurzer Zeit sind wir somit von 841,5 m auf 703 m runter. Man läuft nun in Richtung Neustadt und kann wählen Waldboden oder paralell die Straße. Ich bin mittlerweile ganz schön erschöpft. Das zu schnelle Angehen und das Profil haben mich jetzt schon zugesetzt. Viel zu früh.
Ich denke es ist auf dem Asphalt besser zu laufen, wo es leicht wieder bergauf geht, merke aber nachdem ich wieder auf Waldboden komme, das ich dort besser vorankomme, ja sogar überhole. Man hat nun den Ort Kahlert erreicht und auf die Verpflegungsstelle in 1.000 m wird mit einem Schild hingewiesen. Passt das Schild ? Mir kommt es Ewigkeiten vor und plötzlich steht ein Schild mit „noch 500m“. Es geht weiter ansteigend. In Neustadt erreichen wir wieder 782 m. Einige haben hier Probleme hoch zu kommen. Bei mir geht’s einigermaßen. Ich zucke mein letztes Gel raus, nehme es, trinke etwas und düse weiter. Auch wenn ich immer wieder kleine Pausen brauche und viel Zeit verloren habe.
Nun laufen wir über die Wiesen am „Abrahamskopf“. Wiese laufen ist nicht mein Ding, ich lasse einigen schnelleren Läufern den Vortritt und mache kurze Pausen, denn ich habe Angst das irgendwann meine Waden anfangen zu bollern.
Es geht einigermaßen aber kurz vor km 31 krieg ich den Schock als ich vor mir den „Großen Burgberg“ sehe! „Da müssen wir hoch?“ denke ich mir. Vor mir läuft keiner – alle gehen sie diesen knackigen Anstieg hoch. Ich versuche es immer wieder mit Traben – Gehen- Traben – Gehen.
Wir überqueren die Straße L1137 und wieder geht’s hoch in Richtung „Morast“. Alle Körner verschossen – jetzt heißt es richtig Kämpfen. Die nächste Verpflegung ist beim „Großen Herrenstein“ bei km 33,4. Hier gibt’s, wenn man wünscht, der Tradition nach einen Stempel auf die Startnummer.
Ich merke das meine Waden langsam Krämpfe bekommen, muss beim leicht bergab-laufen zum Örtchen Allzunah tatsächlich immer wieder Tempo rausnehmen.
Die Strecke ist einfach ein Traum, auch wenn man sie vor Erschöpfung nicht immer genießen kann. Hier muss man mal gelaufen sein! Ich rate aber ab mit Fotoapparat zu laufen, denn an vielen Stellen läuft man Gefahr zu stürzen, wenn man mal unachtsam ist.
Und wieder ging es knackig hoch über einen steilen Anstieg zum „Meisenhügel“. Witzig ausgeschildert mit Meterangaben zum letzten Anstieg des Marathons und Angabe „Gipfel erreicht und nun geht’s nur noch bergab“. Von Wegen wie sich nachher rausstellt – da kam noch einiges Knackiges. Den Meisenhügel kam ich im Gegensatz zu manch anderen Läufern eigentlich ganz gut noch hoch. Vielleicht weil ich wirklich dachte, danach ist es mit Anstiegen vorbei. Bei km 37,1 gibt’s die letzte Verpflegungsstation. Ich laufe vorbei, weil ich mir denke – die paar Kilometer kriegste auch noch hin. Nachdem eine Straße überquert hat geht es über einen Trampelpfad vorbei am Frauenwälder Schwimmbad. Auch hier ist es auf Grund der Wadenprobleme für mich schwer zu laufen und zudem stellt sich heraus, das es doch weiterhin Auf und Ab geht. Bei km 40 kommt sogar noch ein knackiger Anstieg – der zwar nicht lang ist, aber dazu führt, dass ich ein paar Schritte gehen muss. Platt – jetzt sind alle Reserven verbraucht. Wir nähern uns Schmiedefeld und als wir aus dem Wald kommen und die Straße entlang bei km 41 laufen, ist die Stimmung gewaltig. Schon Recht als man auf die „Reitallee“ kommt. Hier läuft man steil bergab und das Publikum feuert einen begeisternd an. Ich muss, trotzdem immer mal ein paar Schritte gehen. Ich hatte mir vorgenommen hier komplett hochzulaufen – es geht aber nicht mehr.
Und weiter geht’s euphorisch als man rund um den Sportplatz in Richtung Zielgerade biegt. Nur noch wenige Meter. Ich komme mit einer 3:56:10 Std. ins Ziel. Von der Zielzeit her kann ich eigentlich zufrieden sein – aber nicht vom Verlauf des Marathons.
Im vergangenen Jahr hat jemand gesagt, der Marathon ist
schwieriger als der Supermarathon. Ich wollte es nicht glauben, muss es aber jetzt bestätigen. Auch wenn der Supermarathon viel länger ist und auch sehr steile Anstiege hat mit schwierigen
Untergrund. Allein der schwierige Hohlweg macht dies wett. Auch ich kann sagen – der Marathon ist schwieriger.
Zumal man auch bei dieser Distanz flotter angeht als bei der Superdistanz.
So freue ich mich über das Finished, die sehr schöne Strecke und
Atmosphäre, bin aber darüber enttäuscht, dass ich so frühzeitig Probleme hatte. Viel zu früh! Waren es zu wenig lange Läufe ? zu schnelles Angehen auf der 1. Hälfte ? oder das Profil und der
Untergrund ? Vielleicht eine Mischung aus allem!
Vielleicht ist aber auch der Marathon nichts mehr für mich. So wird alles weitere – auch Frankfurt im Herbst – bei mir überdacht. Sich für eine Topzeit im Training zu quälen und dann vielleicht nicht die Ernte dafür einzufahren ? Ist es das Wert, monatelang darauf hin zu arbeiten und vielleicht nicht das Erreichen, was man möchte? 30er und 35er im Training laufen und dann doch enttäuscht zu werden? Auch wenn der Rennsteig in keinster Weise mit einem flachen normalen Marathon zu vergleichen ist. Der Aufwand, den man hierfür betreibt ist doch sehr mächtig. Möchte ich das noch ?
Mein Knie hat gehalten, obwohl ich es deutlich merke. Aber wie sagt man so: Der Schmerz geht, der Stolz bleibt.
Nachdem Angelika mit einer hervorragenden Zeit für diesen schwierigen Marathon ins Ziel gekommen ist, bummeln wir noch über die Festwiese, essen Bratwurst und anderes und saugen die tolle Atmosphäre auf. Gegen 16 Uhr fahren wir in Richtung Ferienwohnung, machen uns frisch für die After-Run-Party. Und diese ist wieder mal bombastisch. Ausgelassene Stimmung im riesigen Festzeit. Die Belohnung für alle Strapazen.
Überraschend gut geht es mir am darauffolgenden Tag. Klar man merkt, dass man einen Marathon gelaufen ist – aber ein kleiner Lauf in den Bergen von Stützerbach geht ohne Probleme. Anschließend fahren wir nach Suhl und machen noch eine Wanderung von Schmiedefeld über einen Teil der Wettkampfstrecke zurück nach Stützerbach. Diesmal mit Kirschlikör und Leckereien im Rucksack.
Bevor wir uns auf die Rückfahrt am Montag in Richtung Raesfeld
begeben, machen wir noch einen Abstecher nach Gotha. Eine wundervolle Stadt, die es sich wirklich lohnt zu besuchen. Wunderschön die Umgebung von Schloss Friedenstein mit Orangerie, wunderschön
die historische Altstadt und lecker die Hackklöpse am Imbissstand.
Ein tolles Marathonwochenende, auch wenn uns in Thüringen auf der Autobahn noch ein Unwetter überrascht.
Es hat Spaß gemacht, der Rennsteiglauf gehört einfach in einem Läuferleben – hier muss man gelaufen
sein.
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