4. Etappe von Gelnhausen nach Wächtersbach

Am ersten Abend erzählte man uns beim gemütlichen Beisammensein, dass um die Farbe des Finishershirt jedes Mal ein Geheimnis gemacht wird. Keiner weiß es und erst nach Zieleinlauf wird dieses in einer Kirche übergeben. Einzelne Läufer sah man mit Shirts aus den Vorjahren und nun wurde kräftig spekuliert, welche Farbe es dieses Jahr wohl haben wird.

Die Karawane zieht weiter........ 

Unser Auto sieht mittlerweile aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Beutel mit nasser oder dreckiger Wäsche, überall fliegen Laufschuhe rum und Wasser- und Isoflaschen liegen an jeder Ecke. Ein Dieb hätte hier große Probleme überhaupt etwas zu finden außer stinkende Socken :-)

Heute ist der letzte Tag und heute wird allen eine "Krone" aufgesetzt. Die Königsetappe steht an. Die schwierigste überhaupt. Selbst als wir erfahrene Läufer fragten, wie sie diese Etappe einstufen, meinten diese: "Die hat`s wirklich in sich!". Und wie lang ziehen sich die Anstiege ? "Von Anfang bis ca. km 11,5"

 

Die Halle in Gelnhausen hat große Scheiben an der Decke und somit ist es schon um 6:00 Uhr Taghell. So langsam krauchen alle aus ihren Schlafgemächern, die meisten mittlerweile sehr schwerfällig. Auch bei meinen Gang zur Toiletten muss ich meine ganzen Körperteile erst mal sortieren. Der Gedanke, dass ich mein Pulver auf den ersten 3 Etappen schon völlig verschossen habe ist groß. Meine Blasen an den Füßen pflege ich weiterhin mit Neo-Balistol. Eine ist über Nacht sehr gut verheilt, die anderen müssen eben einfach heute durch die verbleibenen 36 Kilometer. Wir erkundigen uns, wo es Frühstück gibt. In der Stadthalle ! So weit ? Meine Beine möchten selbst diese 500 m nicht mehr gehen.

Kurz nach 6:30 Uhr öffnen für alle die Pforten. Wieder ein tolles Büffet mit allen was das Herz begehrt. Ich denke immer wieder: Wie soll ich heute die ganzen Anstiege überhaupt bewältigen? Gestern abend nach dem Zieleinlauf war ich noch voller Euphorie und setzte mir das Ziel: 5:59:xx !! Das wäre ein Traum! Jetzt am Morgen, denke ich eher - bring es einfach hinter Dir.

Wir packen diesmal unseren Rucksack spärlicher, da eine Isomatte unter anderen nicht unbedingt benötigt wird. Im Ziel in Wächtersbach bleiben wir nicht lange, da wir unser Fahrzeug zum Startort Bad Orb nachholen und kurz vorher sogar zum Endzielort Steinau bringen werden. Dies ist für uns die beste Lösung, denn so brauchen wir nicht bis 20.00 Uhr auf die Shuttle-Busse warten.

 

Immer wieder trabe ich ein wenig vor mir hin. Die Beine sind schwer, aber es geht!  Nachdem wir die Beutel aufgegeben, machen wir 3 uns auf die Socken in Richtung Gelnhausen Innenstadt. Ich nehme noch ein paar Salztabletten, die sicherlich bei dieser schweren Etappe wichtig sind. Ein Gel wird auch eingepackt. Die Sonne meint es heute auch wieder mit uns gut, da wir aber bei der 4. Etappe sehr viel im Wald laufen werden, ist dies nicht meine größte Sorge. Auch kurz vor dem Start kann man immer noch kurzfristig in einem Transporter Utensilien aufgegeben werden. Der Gewinner des Trockensaugers vom Vorabend macht dies direkt am Start und alles bricht in schallendes Gelächter aus. Naja - wie soll er das Dingen auch sonst transportieren lassen ? :-) Ein paar Dehnübungen und schon stehen wir wieder am Start.

Die Gelnhausener Innenstadt ist richtig urig und schön. Viele kleine Gassen mit alten Fachwerkhäusern. Für den Start hat sich die Bürgermeisterin etwas besonderes ausgedacht, die neuen Kirchenglocken sollen eingeweiht werden und den Start mit 9 mal Glockenläuten runterzählen. Leider klappt das Vorhaben nicht und Vanman zählt wie gewohnt runter.

 

Es geht über Kopfsteinpflaster durch eine enge Gasse. Sofort leicht ansteigend. Die Beine sind von Anfang an sehr schwer. Ich denke, dass ich einfach einen 5:00 Min.-Kilometerschnitt versuche bis hinter den Bergen. Wenn`s klappt o.k., wenn nicht, ist auch nicht tragisch. Der erste Kilometer in 4:50 Min., der zweite in 5:00 Min.! Zu meinen Erstaunen sind alle Läufer- und Läuferinnen, die in meinen Bereich laufen, auch in meiner Nähe. Auch sie gehen scheinbar diese Etappe verhalten an. Es geht nun nur noch ansteigend. Mein Vorhaben gelingt, die Kilometer sind alle sehr gleichmässig. Auf die Sekunde genau bei km 6 bei 30:00 Min.! Wir sind am ersten Gipfel angekommen, dem Kuhruh. Ein paar hundert Meter dürfen wir uns entspannen, weil es Abwärts geht. Wobei das Abwärtslaufen auf den Waldwegen nicht wirklich wohltuend ist. Im Kirschengraben angekommen, heißt es nun: Anstieg bis zu den "4 Fichten" und das hat es richtig in sich. Der 9. Kilometer haut mich richtig um, viele Passagen gehe ich oder trabe nur leicht: 5:38 Min.! Ein Schwung an Läufern zieht an mir vorbei und ich denke: Deine Super-Gesamtplatzierung schießt Du jetzt in den Himmel. Ich glaube nicht daran, sie nachher noch einzuholen. Selbst Joanna T. hat sich jetzt abgesetzt und ist weit vor mir.

 

Auf den nächsten beiden Kilometern fange ich mich, aber nun geht es noch einmal richtig steil bergauf zum Gipfel der 4 Fichten. Der 12. Kilometer ist in 5:55 Min.! Es ist vollbracht, ich bin oben angekommen. An der Verpflegungsstelle habe ich noch etwas getrunken und nun gehts steil bergab. Ich werde immer schneller und lasse mich rollen. Kilometer 13 in 4:30, 14 in 4:20 und 15 in 4:13. Es ist sehr steil und man muss auf den Schotterwegen aufpassen nicht zu stürzen. Immer wieder wechsele ich die Spur, weil ich meine dort wäre es angenehmer zu laufen. Jetzt sind wieder die Endorphine freigesetzt, auch deshalb weil ich zumindest den einen oder anderen wieder einhole, den ich aus der Reichweite verloren habe. Aber es geht noch schneller: Wir kommen auf eine asphaltierte Strasse, es ist nicht mehr weit bis zum Ziel. Einen vor mir möchte ich noch einkassieren! Ein weiblicher Streckenposten ruft uns zu: "Jogger rechts halten!" - Frechheit !! Ich meine zu ihr: "Wenn wir Jogger wären, dann würden wir nicht hier laufen!" :-) Meinen Vordermann kassiere ich noch ein (siehe Foto links entlang der Mauer): Kilometer 16 in 4:06 Min.! Geht doch!

 

Sogar den letzten Kilometer kann ich in ca. 4:00 absolvieren. Im Ziel angekommen trinke ich erstmal mehrere Cola und nehme mir eine Massage. Die kann mir für die letzte Etappe nicht schaden, denke ich jedenfalls. Ein Blick auf die Ergebnisliste verrät - so schlecht war`s dann doch nicht wie angenommen: Platz 74. In der Gesamtwertung falle ich auf Platz 57.

Das Gel, welches ich unterwegs genommen habe, hat wieder seine Wirkung gezeigt. Auch wenn man dies vielleicht nicht für einen normalen Halbmarathon benötigt, hier ist es sicherlich -meiner Meinung nach- sehr wichtig. Es hat mir noch einmal Schwung gegeben für diese kräfteaufreibenen 17 Kilometer.

Mit den Shuttlebus gehts wieder zurück nach Gelnhausen den Wagen nachholen, um dann in Bad Orb (Startort 5. Etappe) eine kleine Pause zu machen.

 

Unser Navi führt uns über die Autobahn und ruckizucki sind wir am Ortseingang von Bad Orb. Achtung ! VOR dem Ort steht schon ein Kilometerschild mit 40 !!! Und sofort daraufhin folgt ein Blitzer. Ich hatte natürlich das Schild übersehen und tappe voll rein. Egal ! Auf einen Berg ist die Schule in Bad Orb, wo wir unsere Mittagspause machen. Es gibt wieder eine leckere Nudelsuppe. Kurz nach 13.00 Uhr machen wir uns auch langsam fertig, um den Wagen schon mal zum Zielort Steinau zu bringen, wo uns um 14.00 Uhr der Shuttlebus abholt und zum Start wieder nach Bad Orb bringt.

Noch 18 Kilometer und wir kriegen dieses "verdammte Finisher-Shirt" :-)