Hermannslauf 2010

"Oben scheint`s auch....."

Absolut Kult ist der Hermannslauf von Detmold nach Bielefeld. Eine Woche vor dem Düsseldorf-Marathon wäre es fatal gewesen, diesen stark profilierten Lauf auf Tempo anzugehen. Selbst die Spitzenläufer haben zumeist bis Donnerstag Muskelkater.

Deshalb ruhig angehen lassen, hieß meine Devise. Auf den 31,1 Kilometern heißt es 570 m Steigungen und 710 m Gefälle und dabei richtig knackige Anstiege. Im Vorfeld hatte ich mich über diesen Lauf "schlau gemacht". Der Hermannslauf trägt nicht umsonst den Titel "einer der schönsten Landschaftsläufe Deutschlands".

Um 6:00 Uhr morgens ging es los in Richtung Bielefeld und trotz kilometerlanger Baustelle in der Innenstadt, erreichten wir das Parkhaus an der Hermannstraße rechtzeitig. Bis zur Startnummerausgabe im Gymnasium am Waldhof waren es nur 700 m und hier herrschte schon reges Treiben. Die ersten Busse in Richtung Hermannsdenkmal in Detmold waren bereits unterwegs. Über 100 Busse wurden eingesetzt um die über 7.000 Teilnehmer an den Start zu bringen. Strahlend blauer Himmel und die Temperaturen stiegen schon langsam. Umso makaberer der Spruch eines Helfers an den Bussen: "Oben scheint`s auch....". Aufgrund der vielen Absperrungen in Bielefeld sowie den Vororten entschied sich Angelika im Ziel an der Sparrenburg zu bleiben. Richtige Entscheidung, denn in Richtung Bielefeld, stadtein- und auswärts ging nichts mehr. Um kurz nach 8 stieg auch ich dann in dem Bus zum Transfer zum Start. Die ersten Kilometer verliefen auch ganz normal, nur irgendwann fragte auf einmal die Busfahrerin ob einer wüsste, ob wir auf den richtigen Weg sind. Das war schon mehr als seltsam, danach setzte sie aber noch einen darauf. Sie kam mit dem Bus den Berg zum Hermannsdenkmal kaum hoch. Andere Busse überholten uns und sie quälte sich im Schritttempo nach oben, so das wir dachten: Gleich rollt sie den Berg herunter.

Bis zum Start hatte ich nunmehr genügend Zeit und nach dem ich meinen Kleiderbeutel zu einem der Lkw`s brachte, ging es erstmal auf Sightseeing. Eingeteilt ist der Lauf in 3 Startgruppen: 11:00 Uhr Startgruppe 1, 11:05 Uhr Startgruppe 2 und 11:15 Uhr Startgruppe 3. Unterhalb des Denkmals ist der Check-In und hier wird genaustens darauf geachtet, ob man zur richtigen Gruppe gehört. Da ich diesen Lauf locker und ruhig angehen wollte, stellte ich mich in die Mitte der 2. Startgruppe. Im Nachhinein keine gute Entscheidung. Diesmal lief ich mit Handy im Getränkegürtel und telefonierte daher noch kurz vor dem Start mit Angelika gemütlich. Getränkegürtel - auch dies war eine richtige Entscheidung. Hier sieht man aber auch, wie viele sich scheinbar nicht mit wärmeren Temperaturen und Streckenprofile auseinander setzen. Trotz mehrerer Getränkestationen sind viele bei diesem Wetter wortwörtlich "eingegangen". Pünktlich wurde auch unsere Startgruppe auf die Reise geschickt. Nach ein paar hundert Metern durch den Wald rund ums Denkmal, ging es auf eine Asphaltstraße stark bergab (20 % Gefälle). Dies war mir bekannt und für die noch kalten Muskeln ist es hier tödlich schnell anzugehen. Ich hatte meine Beine vorsorglich mit Aufwärmöl eingerieben. Wie von der Tarantel gestochen sind hier einige den Berg herunter gerannt. Meist erkennbar im Baumwollshirt und 7/8 Skaterhose. Schon nach einigen Kilometern sah man sie am Wegesrand stehen oder nur noch gehen. Bei Kilometer 3 husch ich eben in die Büsche. Scheinbar hatte ich doch zu viel getrunken. Wieder sich normal in die Masse einzureihen, ist gar nicht so einfach. Ein richtig freies Laufen ist noch gar nicht möglich. Ganz zu schweigen ein Überholen, von Leuten, die eigentlich nichts so weit vorne zu suchen haben. Ich ärgere mich, dass ich mich doch so weit hinten aufgestellt habe, denn das Tempo ist hier weit über 5:45 Min. je Kilometer.

Der Weg ist manchmal sehr schmal und bei Kilometer 4 geht es auf einen Wanderweg. Hier wusste ich das man eher die linke Spur wählen sollte, da der Reitweg rechts durch tiefen Sandboden führt. Nach dem Wechseln auf der linken Spur bin ich mehr am tippeln, als am laufen - schmal und langsam gehts voran. Es ist doch Chipmessung - ich kapiere einfach nicht was manche denken, wenn sie soweit vorne laufen. Ich lief somit lieber durch den Sandboden, hier war das Laufen total anstrengend, aber auf jeden Fall konnte man frei laufen. Das Sandstück zieht sich ohne Ende, so schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt.

Nach 5,5 km ging es nun für nur 200 m auf Asphalt, bevor der erste lange und steile Anstieg kommt. Zirka 80 Höhenmeter auf 1,5 km Waldweg. Zwischen den Allhornberg und dem Großem Ehberg hindurch geht es bis auf 299 m bei Kilometer 7. Der erste Anstieg macht noch Spaß, obwohl ich weiß - viel heftigere werden noch kommen. Wir kommen bei Kilometer 8 in Augustdorf auf die Panzerbrücke und hier ist "der Teufel los". Teilweise dichtes Spalier - auf beiden Seiten tosender Applaus von etlichen Zuschauern. Gänehaut-Feeling ! Hier ist auch die erste Getränkestation. Ein Becher getrunken und schon ging es wieder auf einen Wanderweg, ein leichter Anstieg, was viel schlimmer ist, wieder der tiefe Sand. Eine einfach tolle Aussicht entschädigt für die Anstrengung. Der Waldweg ist eine Katastrophe, es geht nunmehr über etliche Steine und Löcher. Sage und schreibe 3 mal knicke ich voll mit meinen linken Fuss um. Toll, denke ich mir - nochmal das ist der Knöchel gebrochen. Bis jetzt Glück gehabt ! Ich konzentriere mich viel mehr auf die Strecke als auf eine Geschwindigkeit. Trotzdem, nach 10 Kilometern und schon einigen heftigen Streckenpassagen, bin ich noch auf Kurs 2:45 Std.

Bei Kilometer 13,3 kurz vor dem Tönsberg, ist eine weitere Verpflegungsstation. Ich greife zu einer Getränkepulle von mir und sehe den Anstieg. Und der ist diesmal wirklich sehr knackig: 80 Höhenmeter auf rund 500 Metern. Zu Beginn trabt man noch hoch, doch irgendwann verfällt man ins Gehen. Auch die Hitze trägt mittlerweile gut da zu bei, dass es nunmehr richtig hart wird. Auch der nächste Kilometer bis zur Schutzhütte am Tönsberg geht gemäßigt bergauf. Vom Tönsberg hat man ebenfalls eine tolle Aussicht auf beiden Seiten. Nunmehr gehts auch mal eine Weile bergab. Was nicht unbedingt einfach zu laufen ist, weil es teilweise sehr steil ist und man ganz schön abbremsen muss. Nun erreichte ich den Berggasthof, hier stehen schon einige Zuschauer - doch ich freue mich Oerlinghausen, dass nicht mehr weit entfernt sein muss. Ich denke mir: Liegt Oerlinghausen hier auf dem Berg ? Nach einigen hundert Metern bekomme ich meine Antwort: Nein. Es geht nunmehr steil bergab, und vor allen Dingen lange. Was das Ablaufen noch schwieriger macht, ist der holprige Kopfsteinpflaster der durch ganz Oerlinghausen führt. Ich wähle rechts eine Regenrinne, doch wirklich angenehm zu laufen ist dort auch nicht. Hier werden die Beine nun richtig geschunden. Man muss höllisch aufpassen das man sich auf den unebenen Steinen nicht wieder umknickt. Nach einer 180 Grad Schleife geht es in den Ortskern. Und hier ist noch mehr los, als ich mir vorgestellt habe. Der Ort toppt selbst die Stimmung in Venlo. Es ist Alp d`Huez-Stimmung, dicht stehen die Zuschauermassen und die nächste Getränkestation steht bei km 17,8 an und hier nehme ich ein Gel, in der Hoffnung, dass es bis zu den Lämmershagener Treppen wirkt.

Durch den Wald geht es nun ins Schopketal, die Beine sind mittlerweile schon sehr schwer und sehr schwierige Abschnitte werden noch kommen. Nach dem man einiges Bergab gelaufen ist , geht es wieder etwa 40 Höhenmeter bergan. Das Bergablaufen war für die Oberschenkel nicht angenehm und es ist schon heftig dort hoch zu kommen. Immer wieder verfällt man ins traben oder gehen - so geht es vielen, auch mir.

 

Die verdammten Lämmershagener Treppen....

Es geht über eine asphaltierte Straße durch ein ruhiges Wohngebiet. Booh ist das geil, mal wieder vernünftigen Untergrund zu haben. Am Wandweg gehts wieder 30 Höhenmeter hoch und wieder runter. Zuschauer haben hier Plastikbadewannen aufgestellt zum Kühlen. Ich düse vorbei, es ist einfach zu voll - ich nehme lieber eine Dusche eines Anwohners, der mit dem Gartenschlauch an der Strasse steht. Bald müssten diese verdammten Treppen kommen. Es heißt davor ist eine Getränkestation. Ich sehe sie nicht, wo bleiben die Treppen ? Es geht über die Autobahnbrücke, wo ich zunächst dachte, hier vor würden die Stufen kommen. Sie sind danach - dort die Getränkestation und dahinter sieht man die Läufer, die Treppen hoch gehen.... Mir gehts nicht anders, hochlaufen ist nicht drin. Die Treppfen sind steil und liegen teilweise weit auseinander. Ich zähle die Stufen. Nach 85 Stufen gehts erstmal ein Stück links flach weiter, bevor die restlichen 45 Stufen wieder steil bergan führen.

Ich dachte falsch, dass nun erstmal keine Anstiege kommen. Es geht weiter bergauf, teilweise auf einigen Schotterstücken. Es geht hoch zum "Eisernen Anton". Da hinter eine weitere Verpflegungsstation. Nach einem steilen Abstieg, gehts sofort auch wieder steil bergauf. Ich warte auf die nächsten Treppenstufen. 30 an der Zahl sollen es einmal sein. Auch diese gehen steil hoch. Die ersten laufe ich noch, aber nach ein paar merke ich das Gehen doch einfach ist. Wobei - ALLE gehen hier hoch, alle hat die Sonne und die Temperaturen voll zu gesetzt. Nach dem Stufen geht es weiter berghoch zum Spiegelberg. Immer mehr sind nur noch am Gehen oder Traben. Endlich gehts mal wieder nach längerer Zeit bergab. Von der Habichtshöhe geht es zum Otto-Riethmüller-Haus. Hier sollen die jugendlichen Bewohner die Läufer- und Läuferinnen mit Rockmusik beschallern. Ich kann nur sagen: Die Musik ist grauenhaft ! Es geht ein weiteres Mal in ein Waldstück. Noch einmal geht es ein wenig hoch bevor es auf die 1,5 km lange Promenade zum Ziel geht. Vor mir stürzt ein Läufer über eine Stolperfalle, ihm wird geholfen und er humpelt weiter. Es sind nur noch ein paar hundert Meter. Irgendwo muss Angelika stehen. Ich sehe aus weiter Entfernung das Zielbanner und reiße schon jetzt die Arme hoch. Auch ich zähle zu den Läufern, die den Hermann bezwungen haben. Wer hier gelaufen ist, weiß was er geschafft hat. Bereits weit vor dem Ziel sind etliche Zuschauermengen, die einen anfeuern. Ich schaue auf meine Uhr: Fast eine Punktlandung, 2:45 waren geplant, 2:44:25 Std. sind es geworden und das bei den Temperaturen. Viele Sanitäter versorgen die völlig erschöpften Läufer, einige werden per Rettungswagen weggebracht. Einige haben die Knie blutig und sind gestürzt auf den unebenen Waldboden. Mein härtester Lauf. Es sollte ein Trainingslauf sein, aber kann man bei dem Profil von Trainingslauf sprechen ?

Ich falle Angelika in die Arme und sage zu ihr: Heftig, ganz schön heftig....... Eine Medaille gibts zunächst nicht, die sind auf Grund des Flugverbots in Südostasien hängen geblieben und werden nachgeschickt. Als Entschädigung gibts ein klitzekleines Stück Schokolade ! Hahaha, das entschädigt nicht wirklich. Die Zielversorgung ist sehr gut, Bananen, Äpfel, Orangen und Getränke - alles was das Herz begehrt. Meine Waden merke ich ganz schön  - sie können nicht stehen bleiben und wollen weiterlaufen. Ätzendes Gefühl ! Sehr gut organisiert auch die Kleiderbeutelausgabe, rund um die Sparenburg. Schon als ich in meinen Nummernbereich ankomme, übergibt mir ein Mädchen den Beutel. Die Massagezelte sind proppe voll und an der langen Schlange, hat man nicht wirklich Lust sich anzustellen. Wir entschließen uns in der Altstadt einen Kaffee zu trinken. Auf dem Abstieg von der Sparenburg merke ich erst richtig meine Oberschenkel. Doch das "Ausgehen" tut gut, der Kaffee erst Recht. Die Rückfahrt wird erschwert durch einen kilometerlangen Stau durch die Bielefelder Innenstadt. Allein für das Herausfahren aus Bielefeld haben wir über 30 Minuten gebraucht. Aber trotzdem - der Lauf entschädigt für alles. Jetzt heißt es einige Tage regenerieren und vor Donnerstag gar nicht laufen.